Doch dabei stellt sich oft die Frage: Kann Glühwein auch gesund sein? Oder ist es nur eine Angewohnheit, die dem Körper tatsächlich mehr schadet als nützt?
Die Antwort ist nicht schwarz-weiß. Wie bei den meisten Dingen in der Volksmedizin sind Verständnis, Menge und Art des Konsums entscheidend.
Warum Glühwein überhaupt als gesund gilt
Glühwein hat zwei Seiten. Die erste ist der Wein selbst, die andere die Gewürze. Beide haben eine lange Geschichte der Verwendung in der Volksmedizin. Schon im Altertum wurde Wein erhitzt und mit Kräutern versetzt, weil man glaubte, dass dies das Blut öffnet und den Körper wärmt.
Die Hauptzutat von Glühwein ist Rotwein. Rotwein enthält Antioxidantien, die dem Körper helfen, schädliche Teilchen, die bei Stress, Umweltverschmutzung und Alterung entstehen, zu neutralisieren. Das bekannteste davon ist Resveratrol. Das ist ein pflanzlicher Stoff, der in der Schale der roten Trauben vorkommt und seit Jahren Gegenstand von Forschung ist.
Eine Studie, die im European Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, zeigte, dass mäßiger Konsum von Rotwein den Anteil des sogenannten guten Cholesterins (das ist HDL, das hilft, die Gefäße zu reinigen) um etwa 11 bis 16 % erhöhen kann. Das bedeutet nicht, dass Wein ein Heilmittel ist, aber in kleinen Mengen ist er nicht zwangsläufig ein Feind.
Was bedeutet maßvoll – Zahlen ohne Beschönigung
Das Wort maßvoll bedeutet eine kleine, kontrollierte Menge. Im Zusammenhang mit Alkohol meint das in der Regel ein Glas pro Tag für Frauen und bis zu zwei Gläser für Männer – was in der Praxis schnell überschritten wird. Ein Glas Glühwein hat etwa 200 Milliliter und enthält zwischen 8 und 13 % Alkohol, je nach Wein und Zubereitung.
Untersuchungen aus dem Jahr 2020 zeigen, dass mehr als 60 % der Menschen beim festlichen Trinken die konsumierte Alkoholmenge unterschätzen. Glühwein ist warm, süß und angenehm, deshalb lässt er sich leichter trinken, aber der Körper nimmt den Alkohol trotzdem wahr.
Die Gewürze – die wahre Kraft des Glühweins
Wenn Glühwein einen echten Vorteil hat, dann liegt dieser eher in den Gewürzen als im Alkohol. Die Volksmedizin verwendete Gewürze seit Jahrhunderten, noch bevor Vitamine und Labore bekannt waren.
- Zimt ist dafür bekannt, die Durchblutung zu fördern. Durchblutung bedeutet Blutfluss durch den Körper. Gute Durchblutung sorgt dafür, dass Hände und Füße warm sind. Untersuchungen aus den Jahren 2021-2023 zeigen, dass Zimt auch bei der Regulierung des Blutzuckers helfen kann, wenn er regelmäßig und in kleinen Mengen konsumiert wird.
- Nelken (Gewürznelken) haben natürliche antibakterielle Eigenschaften. Das bedeutet, sie hemmen das Wachstum mancher Mikroorganismen. In der Volksheilkunde wurden sie oft bei Entzündungen in Mund und Rachen verwendet.
- Muskatnuss wird traditionell zur Beruhigung der Verdauung eingesetzt. Sie hilft bei Blähungen und Völlegefühl im Magen, allerdings nur in sehr kleinen Mengen – größere Mengen sind nicht zu empfehlen.
- Sternanis und Zitrusfrüchte wie Orange oder Zitrone sorgen für Aroma und etwas Vitamin C. Vitamin C ist ein Stoff, der dem Körper bei der Abwehr von Infektionen hilft, wobei betont werden muss, dass beim Erhitzen ein Teil des Vitamins C verloren geht.
Warum Wärme den Körper täuscht
Viele Menschen haben das Gefühl, dass Glühwein sie wärmt. Dieses Gefühl ist zwar real, aber etwas trügerisch. Alkohol bewirkt eine Erweiterung der Blutgefäße. Das bedeutet, dass das Blut näher an die Haut gelangt, weshalb man sich warm fühlt. Doch dadurch verliert der Körper schneller Wärme.
Untersuchungen aus kalten Ländern haben gezeigt, dass Alkohol im Winter tatsächlich das Risiko einer Unterkühlung erhöht, weil das Wärmegefühl trügt. Das ist besonders wichtig zu wissen, vor allem im Freien. Zucker – der stille Begleiter des Glühweins
Ein weiteres Problem beim Glühwein ist der Zucker. Um die Säure des Weins zu mildern, wird häufig viel Zucker oder Sirup hinzugefügt. Eine Portion Glühwein kann 25 bis 30 Gramm Zucker enthalten, das ist fast so viel wie in einer Dose Limonade.
2025 zeigten Studien, dass der durchschnittliche Europäer 30 % mehr Zucker konsumiert als empfohlen. Glühwein ist diesbezüglich kein harmloser Zusatz. Zucker lässt den Energiepegel rasch ansteigen, danach folgt ein Abfall, was Müdigkeit und das Verlangen nach einem weiteren Glas verursacht.
Versteckte Probleme: Leber, Herz und Kopf
Die Leber ist das Organ, das Alkohol abbaut. Sie ist sozusagen die Kläranlage des Körpers. Wenn Sie sie häufig mit Alkohol belasten, wird sie müde. Untersuchungen aus dem Jahr 2020 zeigen, dass regelmäßiger Alkoholkonsum, auch in kleinen Mengen, das Risiko einer Fettleber erhöht.
Bei manchen Menschen verursacht Alkohol Herzrhythmusstörungen. Das bedeutet einen unregelmäßigen Herzschlag. Außerdem enthält Rotwein Stoffe, die als Kongenere bezeichnet werden. Das sind natürliche Nebenprodukte der Gärung, die den Kater, also das Unwohlsein nach dem Trinken, verstärken können.
Auch die Zähne sind nicht begeistert. Säure und Zucker zusammen erhöhen das Risiko für Karies und Verfärbungen. Zahnärztliche Studien aus dem Jahr 2022 haben gezeigt, dass regelmäßige Konsumenten von Glühwein häufiger über empfindliche Zähne berichten. Was sagt die Volksweisheit
Die Volksmedizin hat Übermaß nie befürwortet. Glühwein war als Mittel gegen Kälte gedacht, nicht als tägliches Getränk. Ein Glas, langsam, in Gesellschaft und zum Essen. Nicht mehr. Alte Aufzeichnungen erwähnen auch das Verdünnen des Weins mit Wasser oder das Hinzufügen von mehr Gewürzen und weniger Zucker. Das Ziel war nicht die Berauschung, sondern Erwärmung und Erheiterung.
Wie man Glühwein verträglicher macht
Die beste Lösung ist die Zubereitung zu Hause. So haben Sie Kontrolle über die Zuckermenge und die Weinauswahl. Mit Honig statt weißem Zucker lässt sich der plötzliche Blutzuckeranstieg reduzieren. Mehr Gewürze und weniger Alkohol verstärken das Aroma ohne zusätzliche Belastung.
Wichtig ist auch, den Glühwein nicht zum Kochen zu bringen. Kocht er, verschwindet der Alkohol nicht vollständig, dafür gehen jedoch viele nützliche Stoffe und das Aroma verloren.
Wie viel ist noch akzeptabel
Wenn Sie im vernünftigen Bereich bleiben wollen, halten Sie sich an eine Tasse (200 ml), maximal zwei zu besonderen Anlässen. Trinken Sie zwischen den Gläsern Wasser und niemals auf nüchternen Magen. Essen verlangsamt die Alkoholaufnahme.
Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck oder Leberproblemen sollten besonders vorsichtig sein oder auf Glühwein lieber verzichten.
Hausgemachte und günstige Alternative
Wenn Ihnen der Geschmack gefällt, aber nicht der Alkohol, gibt es eine hervorragende Lösung: erhitzter Apfelsaft oder Traubensaft mit denselben Gewürzen. Der Geschmack ist sehr ähnlich, die Vorteile der Gewürze bleiben erhalten, die Risiken sind aber deutlich geringer. Das ist eine alte Volksmethode, die wieder im Kommen ist.
Was man sich merken sollte
Glühwein ist weder Heilmittel noch Gift. Es ist ein Festtagsgetränk mit einigen nützlichen Inhaltsstoffen, aber auch vielen Fallstricken. Seine möglichen Vorteile verschwinden schnell, wenn man es übertreibt. Wer ihn maßvoll, langsam und bewusst trinkt, dem wird er vermutlich nicht schaden. Wird es aber Gewohnheit, schlägt das Pendel schnell zur anderen Seite aus.
Und das ist die Essenz sowohl der Volksweisheit als auch der modernen Wissenschaft: Weniger ist mehr.












